Widerstehe der Versuchung ein Haus zu bauen

Als mein Bruder Harry mir im Frühjahr dieses Jahres begeistert von einer neuen Entdeckung erzählte, traf er damit genau ins Zentrum meiner Naivität. Harry war „on fire“ und packte meinen kindlichen Enthusiasmus: er hatte einen Blockhüttenbauer kennen gelernt, der, ganz oben, im Osten Deutschlands, sozusagen an der Grenze zu Polen lebt. Karstens Art und seine Erzählungen über diese Holzblockhütten beeindruckten Harry völlig, und er rief mich an und schwärmte so sehr, dass ich das Reizwort „bauen“ schlichtweg überhörte. Ich hege nämlich seit frühester Jugend eine kaum zu überschätzende Abneigung gegen alles, was mit Bauen, Renovieren, Heimwerkeln und dergleichen zu tun hat. Jeden Monat die Wohnungseinrichtung umstellen – ja! Aber Baustellen sind ein Graus.

Harry schwärmte mir vor, eine Holzblockhütte bei uns in den Vogesen zu errichten, die wir dann als Gästehaus nutzen konnten. Wer einen so charmanten Bruder hat, mit unermüdlich arbeitendem Kreativkopf, samt praktischen zwei rechten Händchen und der mit unerschütterlichem Selbstvertrauen an alles ranwagt, was er noch nie gemacht hat, wird einem solchen Angebot nur schwerlich widerstehen können.

Harry scheute keine Mühen, fuhr an die Grenzen Deutschlands und schaute sich Karsten`s „Spreecamp“ selbst an, führte zahlreiche Planungsgespräche mit ihm und kam mit tollen Fotos und einem „Wir schaffen das!“ zurück. Ich konnte gar nicht anders, ich war hin und weg, zumal Karsten selbst auch kommen und bauen wollte – und seine Hütten sahen auf den Bildern wirklich toll aus. Richard, der, im Gegensatz zu mir, eher zweimal als keinmal überlegt, war auch beeindruckt und hatte nichts dagegen. Er würde das Ganze ja sowieso nur aus der Ferne mitbekommen, die volle Ladung trug ich auf meinen Schultern, da ich vor Ort war.

Pech war nur, ich vergaß bei dem Gespräch mit Harry ein winziges Detail zu erwähnen: selbstverständlich erwartete ich eine schlüsselfertige Blockhütte….

Was auf diese Entscheidung alles folgte, war mehr, als ich in Worten ausdrücken kann und weit mehr, als dieser Rundbrief beschreiben könnte. Natürlich überwiegten wie bei jeder Baustelle auch bei uns die Schwierigkeiten und der Kampf um deren Überwindung, aber was ich zu allererst und mit großer Dankbarkeit sagen möchte, ist: wir sind über die Maßen gesegnet worden, weil alles ohne Katastrophen und ohne große Unfälle über die Bühne gegangen ist. Es war trotz allem (auch für mich) schön gewesen, zu sehen, wie etwas entsteht, wie ein Bauwerk aus dem Boden wächst und auch ich spürte so was wie Freude beim werkeln. Ich betete um Weisheit und Kraft und fühlte mich trotz aller Krisen und Rückschläge innerlich getröstet und von Gott begleitet und gesegnet. Das enorm gute Wetter im Herbst hat dafür gesorgt, dass vor dem Schneefall das Meiste gemacht werden konnte. Allen Helfern bin ich von Herzen dankbar für die Unterstützung, allen voran natürlich Harry, der wirklich alles an Einsatz und Zeit gegeben hat, um uns zu helfen. Meine anderen Familienmitglieder, die unglaublich durch gehalten haben, als ich schon nicht mehr konnte… Dann den lieben Freunden, die ihre Fähigkeiten und ihre Zeit zur Verfügung stellten…

Oh nein, es geht los!

So waren die Würfel gefallen, wir würden die Holzblockhütte bauen. Und damit war mein Schicksal besiegelt, ich würde bis Jahresende (was ich freilich noch nicht ahnte) außer meinen sonstigen Aufgaben auch noch Bauherrin, Gastgeberin, Köchin, Extrem-Putzfrau, Katzenmutter, Gärtnerin, Baumaterialien-Lieferantin und -einkäuferin, Krankenschwester, Seelentrösterin und Krisenbeauftragte sein.

Was ich außerdem noch unterschätzte, waren die Schwierigkeiten, die sich aufgrund der Parallelität von unseren verschiedenen, z.T. bereits bestehenden Baustellen ergeben würde. So war unsere Werkstattnoch im Rohbau, als an der Holzblockhütte begonnen wurde, die Holzblockhütte war dann im Rohbau, als wir die Kanalisation bei unserem Wohnhaus aufreißen und neu machen lassen mussten, während gleichzeitig der lang ersehnte Termin für unseren Kachelofen näher rückte und wir unser Wohnzimmer ausräumen, umstellen und ein riesiges Loch für den Kamin in die Wand hauen mussten. Toll. Werkstatt und Gästehaus noch nicht beheizt und trocken, vor dem Haus ein einziges Schlammfeld…. ich suchte nur noch und fand nichts mehr in den vielen Kisten und Kartons und kein schönes, gemütliches Plätzchen mehr, überall Schutt, Baustelle, Durchzug, Lärm und ein unbeschreiblicher Schmutz…Aber wie durch ein Wunder hatte ich trotzdem jeden Morgen gute Laune und positive Gefühle, wenn mein Wecker morgens klingelte.

Wie das mit guten Ideen oft so ist, sind sie im Moment der Zündung immer am besten … und ich hatte zum Glück nicht die geringste Ahnung, was da auf mich und uns zukam. Abgesehen davon, dass jedes Bauprojekt einen enormen Zeitaufwand an Planung, Materialbeschaffung, Telefonaten, Absprachen u.v.a. erfordert, stellte unsere Situation uns vor besondere Herausforderungen, denn alle Bauhelfer mussten auf dem Gelände wohnen und während der jeweiligen Bauphasen da bleiben. So musste ich zusätzlich noch Gastgeber-Fragen lösen: Wer kommt zum bauen? Wer kommt wann und bleibt wie lange? Wie viele Leute kann ich unterbringen? Wer schläft wo? Was muss ich einkaufen? Was koche ich?

Auch die Baufragen hatten es in sich und bedurften sorgfältiger Überlegungen, denn jedes Schräubchen, jede Latte und jedes Werkzeug musste erst mal rangeschafft werden – von mir. So quälten mich Monate vor Baubeginn Fragen wie: Haben wir alles Werkzeug ? Wo bestelle ich das Holz für die Hütte? Wo und wie lagere ich es? Wird das Fundament rechtzeitig fertig? Wie lange muss ich die Hirsche wegsperren? Wie sichere ich das Gelände? Wo können wir den Zaun aufschneiden? Wie organisiere ich die Kinder? Wie lange wird alles ungefähr dauern? Kann die Heimschule während der Bauphasen überhaupt weitergehen? Oje, auf was hatte ich mich da eingelassen???

Nach aufregenden Wochen der Vorbereitung, einer fieberhaften Suche nach einem zuverlässigen (!) Sägewerk und einer dramatischen, mit 100 Stoßgebeten begleiteten Anlieferung unserer  23 Kubik Douglasien-Holz (wegen Dauerregen im Matsch versinkender LKW mit über 10t Holz – Rad rutscht in Bach – gesamtes Holz muss im Wald notgelagert werden – Traktor „ruckelt“ LKW raus – allein nach dieser Aktion hätte ich eine Kur gebrauchen können), war dann Anfang August der große Moment gekommen:

Es geht los, Klappe II

Die Holzblockhüttenbauer aus der Lausitz trafen ein. Harry`s Freund Karsten, mit seinen beiden Kumpels Austen und Uwe, samt 7m Anhänger mit Fräse und auch noch jede Menge Werkzeug. 

Richtige Männer, kräftig und zupackend, breites Grinsen und ein Blick, der sagt: „Na, wo ist denn die Baustelle?“ Wie sich dann später am mitternächtlichen Lagerfeuer herausstellte, war Karsten eigentlich ein Wolf, jedenfalls kennt er sich als erfahrener Wolfsführer und Fährtenleser sehr gut mit diesen Tieren aus, er kann so gut heulen, dass unsere vogesischen Wölfe auf sein Rufen geantwortet haben. (Na, ob das stimmt? Aber gehört haben wir es alle…) Und seine Wolfserzählungen hatten es in sich, da lauschten nicht nur die Kinder mit offenen Mündern, wie Karsten die Wölfe einfing. Seine beiden Freunde, die aus der Nähe von Berlin kamen, waren tüchtige Bären, die aber mit dem Wolf auf bestem Fuße standen. Es sollte eine sehr lustige Zeit mit ihnen werden.

Karsten überraschte alle mit seiner unverwüstlichen Energie: als Letzter legte er sich schlafen und morgens vor fünf schwamm er schon in unserem Teich seine Runden, geißelte seinen Rücken mit Brennnesseln und tat dann gutgelaunt noch vor dem Frühstück die ersten Handgriffe auf der Baustelle. Wenn man den Tag über Lachen und Scherze hörte, konnte man sicher sein, dass diese drei Freunde in der Nähe waren. Ihre fröhliche Art machten mir so manches Mal Mut. Austen, ein Zimmermann erster Güte, erklärte jeden Arbeitsschritt so toll, dass es einem Helfer richtig leid tat, als er früher gehen musste und nun nichts mehr von Austen lernen konnte. Na, und vor Uwe, dem Dritten im Bunde, war kein wackelndes Scharnier und keine schadhafte Konstruktion sicher: alles, was er an Mängeln im und ums Haus herum bemerkte, reparierte er stillschweigend. (Jaja, ich habe schon bemerkt, dass unser Waldklo nun auch von innen abschließbar ist… Danke!)

Verhinderte Köchin 

Kochen für die Baumannschaft glich einem Marathon, nur mit dem Unterschied, dass er Tage, Wochen und Monate andauerte.  Und gesteigert wurde er dadurch, dass keiner merken sollte, dass ich kämpfte. Und so war die Sorge um das Essen keine kleine. Ich verbrachte im Vorfeld halbe Nächte damit, aus Kochbüchern schöne Rezepte zusammenzustellen, sozusagen um mich warm zu machen. Ganz toll, mit Listen für „Mittag-, und Abendessen“. Doch es sollte alles anders kommen….

Wie soll ich es erklären, dass ich tatsächlich kein einziges Gericht aus meinen Listen kochen konnte, weil schlichtweg die Zeit dafür nicht da war? Weil ich im Durchschnitt für die Essenvorbereitung nur etwa eine halbe Stunde zur Verfügung hatte, und weil ich ständig hin und her rennen musste, um für die Mannschaft irgendwelches Material zu kaufen, umzutauschen, zu suchen, Fragen zu beantworten, verlegte Gegenstände wieder zu finden (Eva, haste meine Sim-Karte gesehen? Eva, wo sind meine Socken, die hingen gestern noch über dem Ofen? Wo ist mein Aufladekabel? Äh, haste meine Brille gesehen?…..) Kinder zu trösten und zu ermutigen, Schule mitten im Chaos zu machen und Instrumente zu üben zwischen Kreissäge und Hilti, das grenzte schon an Wahnsinn.

Ich brauchte wenige Tagen um zu bemerken, dass ich so gut wie keine Zeit zum stundenlangen kochen habe. Also musste Brot auf den Tisch. Viel Brot. Doch mit dieser Erkenntnis tat sich nur ein weiteres Problem auf, denn in Frankreich gilt das Baguette zwar als Grundnahrungsmittel, ist aber auf einer Essenstafel eher dekorativ, als zum satt werden gemeint. Dazu kommt, dass gewisse steinzeitliche Traditionen sich bei den Franzosen bis heute erhalten haben, und die lassen auf einen absoluten Mangel an Hygiene schließen. Lebensmittel werden im Laden unbekümmert mit den Fingern angefasst, denn  Franzosen glauben an das Recht der Bakterien auf Leben und Vermehrung, besonders im Magen der Menschen. Wie oft kann man erleben, dass die „boulangère“ beherzt ins Baguette kneift, sich am Krachen der Kruste freut, mit derselben Hand das Geld entgegen nimmt, damit in der Geldschublade fuhrwerkt, um dann sämtliche Bakterien ihrer Münzsammlung auf das nächste Baguette zu übertragen – mein Baguette. Und die Bäckerei-Lieferanten, die mit einem ganzen Arm voll unverpackter Baguettes durch die Straßen laufen oder ein offenes Wägelchen voll Brot hinter sich her ziehen. Von zig- Händen betatscht, landet das Brot schließlich im Ladenregal, nachdem es beim Verladen versehentlich noch auf den Boden gefallen ist. Das Brotstück, das ich verzehre, ist so aller Wahrscheinlichkeit nach von einer „boulangère“ gezwickt worden, hat unter der Achsel eines Lieferanten geklemmt, wurde bereits von geldinfizierten Fingern betatscht und lag vielleicht schon auf dem Boden der Bäckerei. Mmmmmmh, lecker!

An einem Tag bemerkte ich, dass ich wieder mal dringend Brot brauchte. Wir verzehrten im Schnitt mit ca. 12 Personen pro Mahlzeit 3-4 Vollkornbrote oder 8-10 Baguettes. Das sind pro Tag 10 Vollkornbrote oder 27-30 Baguettes! Und das, obwohl ich es tatsächlich jeden Tag schaffte, irgendwas Warmes zu kochen. Aber Brot ging immer, und heute hatte die Zeit für ein warmes Mittagessen nicht gereicht, also musste eine Käseplatte mit Baguette her. Vielleicht würde ich am Abend Zeit zum kochen finden. Da ich wusste, dass meine Stamm-Boulangerie eine tägliche Siesta von 3 Stunden einlegt, fuhr ich in den Nachbarort, wo, wie ich gehört hatte, eine Bäckerei über Mittag offen hatte. Der Duft nach abgestandenem Tabakqualm zog lieblich in meine Nase und wäre ich nicht verzweifelt gewesen, hätte ich sofort kehrt gemacht. Ein Vorhang hinter der Theke wurde beiseite geschoben und eine mürrische „boulangère“ kam zum Vorschein. Sie zerdrückte hinter halb geöffnetem Vorhang noch schnell einen Zigarettenstummel im Aschenbecher, tätschelte den Riesenhund hinter der Theke und fragte nach meinen Wünschen. Dann reichte sie mir meine 10 Baguettes „nackt“.  Ja, Franzosen tragen selbstverständlich ihre Brote lose unter der Achsel geklemmt zum Auto, schmeißen sie schwungvoll auf die Rückbank, wo bereits der Hund  oder die Katze liegt.  

Aber, bis jetzt haben wir die Bakterien alle überlebt und ich muss sagen, seit wir hier essen und leben, erfreuen wir uns allerbester Gesundheit. Man darf sich nur nicht vorstellen, wo etwas herkommt.

Ich merkte bei den Mahlzeiten schnell, dass es so viele Geschmäcker wie Esser gab. Bis Anfang Dezember, hatten wir 9 verschiedene Bauphasen, in denen jeweils 8-10 Personen (z. T. verschiedener Nationalitäten), für 6-14 Tage gemeinsam bei uns am Tisch saßen. Bei fast jeder Bauphase war die Mischung der Helfer anders, insgesamt waren es 15 verschiedene Helfer. Da gab es bereits nur für das Frühstück eine solche Vielfalt an Geschmäckern, dass ich vor Routine bewahrt blieb und nur eines tun konnte, um nicht im innerlichen und äußerlichen Chaos zu versinken, nämlich auf einer festen Sitzordnung zu bestehen. Hach, wie sensibel Männer doch sind, wenn es ums Essen geht!

Männliche Gaumenfreuden, 7:30 Uhr, Frühstück:

Einer brauchte grundsätzlich Salz und Pfeffer und Einer Tomaten mit Balsamico, ein Anderer war allergisch gegen Balsamico und Essig jeder Art. Einer wollte immer Müsli, ein Anderer war der Meinung in seinem Leben genug Müsli gegessen zu haben und brauchte nur Käse und Wurst, ein Anderer aß nur frische, selbst gesammelte Wildkräuter mit Kefir. Einer war erst glücklich, wenn die volle Kaffeekanne in Reichweite war, ein Anderer brauchte Kräutertee, wieder ein Anderer nur Früchtetee und Einer bekam davon Blähungen, ein Anderer brauchte nur Muckefuck. Einer wollte Bananen, ein Anderer vertrug kein Obst, Einer aß keine Birnen, Einer keine Ananas, weswegen der praktische Obstsalat ausschied, ein Anderer wollte stets Knoblauch und Zwiebeln, Einer aß vegetarisch, ein Anderer vegan, der Rest verlangte Wurst. Einer trank nur Sojamilch, ein Anderer nur Bio-Vollmilch, die Anderen fettarme Milch.

Einer bevorzugte helles Brot, ein Anderer dunkles und wieder ein Anderer röstete sich täglich seine frischen Fladen überm Feuer und Einer brauchte zu absolut allem immer Brot, viel Brot (sogar zu Nudeln, Kartoffeln, Reis und Eis)…… und Einer wollte immer Zwiebel, zu JEDEM Gericht und zu jeder Mahlzeit klein gehackte Zwiebel. Ich habe in den letzten 20 Jahren nicht halb so viele Zwiebeln und Knoblauch geschält und gehackt wie in den vergangenen 6 Monaten. Und es schien unvermeidlich, dass wöchentlich neue Pflaster meine Finger zierten.

(Weibliche Gaumenfreuden, 7:30 Uhr, Frühstück:

Tee oder Kaffee, Obst mit Müsli oder Brot mit irgendwas. Stimmt`s Mädels?)

(Kommentar von Richard: „Frauen bauen auch keine Blockhütten“)

Pessimist:“Schlimmer geht`s nicht.“ Optimist: „Doch.“

Ziemlich am Anfang der ersten Bauphase kamen 3 weitere Bauhelfer an. Es war noch nicht 12 Uhr, aber es hatte sich an diesem Tag schon soviel ereignet, dass ich völlig erledigt war. Ich hatte so ca. 15 (notwendige) Telefonate geführt, drei halb verhungerte zugelaufene Baby-Kätzchen untersucht, -zig Zecken entfernt, Katzen-Futter organisiert, 2x einen Helfer verarztet, der mit schwer blutender Hand zu mir gerannt kam, Morgenabwasch, Hausputz und Mittagessen mit vielen Unterbrechungen gekocht und nun kamen unsere Bauhelfer im strömenden Regen zum Essen, ich bekam 8 triefende Jacken in die Hand gedrückt, Socken zum auswringen und Gummistiefel, aus denen man das Wasser gießen musste. Ich hatte das Gefühl, ich bin an allen Stellen gleichzeitig und nirgendwo und wenn jetzt noch etwas passiert, renne ich schreiend in den Wald. 

Gerade in dem Moment kamen, wie gesagt die neuen Helfer und, fast gleichzeitig klopften Wanderer an unsere Türe: ein deutsches Paar, die in den Vogesen eine Tagestour machten und zufällig an unserem Haus vorbei kamen. Ok, sie durften also aus dem Regen auch hereinkommen in die gute Stube. Der Mann war von unserem Bach („fließenden Gewässer“) unweit des Hauses sehr angetan und gab mir, kaum zur Tür hereingekommen, Tipps, wie wir diese Energie des Baches für uns nutzen könnten. Er meinte es gut, aber ich war überhaupt nicht in der Lage, irgendetwas davon aufzunehmen: wir sollten uns gerade zu Tisch setzen, ich hatte für die schon anwesenden 9 Personen gedeckt, nun kamen plötzlich noch weitere 3 Bauhelfer und 2 Wanderer dazu, mit Gepäck, nassen Regenschirmen, Jacken, dreckigen Schuhen. Im Haus noch rumflitzende Katzen, die ständig irgendwo Häufchen hinterließen und die ich ununterbrochen vor die Tür setzte, aber sobald jemand rein kam, schwupps, wieder herein schlüpften… 

Ich bot den Neuankömmlingen zunächst Sitzplätze auf dem Sofa an. Die Frau des „bachbegeisterten“ Wanderers, stellte sich als ebenso begeistert heraus. Sie gab als Gesundheitsapostelin quasi vom Sofa aus ihre Weisheiten zum Besten. 

Die Arbeiter waren an diesem Tag nicht ganz so fröhlich wie sonst, denn auf der Baustelle lief es nicht nach Plan, die Fräse sprang nicht an, wohl weil der aus D mitgebrachte Generator nicht genügend Strom erzeugte. Man war etwas ratlos, der Regen sorgte für die passende Stimmung. Ein Helfer war extrem sprachbegabt und sehr interessiert neue exotische Sprachen zu lernen, denn alle gängigen Sprachen beherrschte er schon fließend, um nur einige zu nennen: spanisch, englisch, französisch, japanisch, türkisch, deutsch, italienisch…… und am Tisch saß auch ein Ungar-Rumäne und mitten im allgemeinen Tohuwabohu versuchten die beiden eine Unterrichtsstunde in rumänisch. Ich eilte hin und her, um alles zu organisieren, musste aber ständig lachen, denn es unterhielten sich 14 Leute quer durch den Raum über 5 verschiedene Themen. Das ergab dann ungefähr folgenden (Un)Sinn:

„Kann ich mal bitte die Sauce haben?“ „…nee, Harry, stell dir dat mal nicht zu einfach vor, wa. Die schwappt in meinen Gummistiefeln und…“ „Es stinkt! Iihh, der Balsamico vor meiner Nase…“ „…ist ja ein fließendes Gewässer direkt bei eurem Haus und….“„haste noch Kaffee?“ „dann gibt’s verschiedene Mischungen, wie…“ „Kartoffeln und Salz, lecker!“ „Zuviel Salz ist gar nicht gesund!“„…weil in die Sojamilch“ „die sechzehner Gewindeschraube nicht passt“ 

„Äh, kann das sein, dass meine Hose hinten nass ist?“„…entspann dich mal, nimm noch was von dem…“ „fließenden Gewässer…“  „…und meine eigene Hütte is nach drei Jahren immer noch nicht trocken, wa“ „Also, wenn dein Po nass ist“ „..und die Fräse nicht anspringt, da brauchste mindestens 8kW….“ „..um auf rumänisch „Danke“ zu sagen“ 

„Ich bräuchte Pfeffer“ „denn das ist praktisch Gift und sollte nur…“ „..im Schlauch in eine Tonne mit Wärmetauschern geleitet werden“ „Na, da kann ick nur sagen…“ „Multumesc“ 

 „Haste noch`n bisschen Kaffee und Kuchen?“ „Nachtisch direkt nach dem Essen ist nicht empfehlenswert, denn…“ „guckt mal, die Piggy macht Kaka auf den Teppich!“ „inca putin paine te rog“ „Also, Harry, jetzt reiß dich doch mal zusammen!!!“ „Immer wenn`s spannend wird“ „will der noch Brot“ „und es stinkt!“

Unerfüllte Wünsche

Es gab Momente, in denen ich am liebsten aufgegeben hätte. Dass es so ein langer und beschwerlicher Weg werden würde, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Wir hatten im März 2011 begonnen, die Fundamente für Werkstatt und Gästehaus zu bauen. Beides sollten kleine, einfache Holzgebäude, 20 und 30 qm groß werden, also, man sollte meinen, keine Riesenbaustellen. Es würde im Spätsommer einigermaßen fertig sein, hatte ich mir vorgestellt. Nun haben wir Dezember. Vor wenigen Tagen erst wurde die Elektrik in der Werkstatt gemacht, benutzbar und eingerichtet ist die Werkstatt noch nicht. 

Mir taten oft die Kinder leid, die ich immer wieder vertrösten musste: „Bald, bald wird die Werkstatt fertig sein. Habt noch etwas Geduld…“ „Aber, wie viele Bauphasen denn noch???“ Sie lernten das Leben sozusagen in Echtzeit kennen, mit allen Hindernissen und Verzögerungen. Und das, würde ich sagen, ist der wertvollste Gewinndieser ganzen Bauaktionen. Wir lernten gemeinsam, was es heißt, ein komplexes Projekt von Anfang bis Ende zu planen und durch zu führen, innerlich mitzugehen mit allen Hochs und Tiefs und schließlich zu sagen: es ist (fast) geschafft. Ein tieferer Bezug zur Arbeit hat sich bei ihnen eingestellt, sie ist ihnen selbstverständlich geworden, denn zu unserem Leben gehört jetzt das tägliche körperliche Arbeiten sowieso dazu. Und dass körperliche Betätigung und „arbeiten“ etwas Schönes ist, das haben sie wirklich neu gelernt und erfahren. Aber es dauerte natürlich trotzdem zu lang für sie, bis unsere Bauwerke endlich fertig waren. 

Sie haben auch erfahren, was es heißt, ein Handwerker zu sein, ein guter oder auch ein schlechter. Simon hat Tätigkeiten der verschiedensten Arten mitgemacht und mitgelernt. Er kennt die Maschinen und kann sie benutzen – ich nicht. Ich bin froh, denn er ist mir eine echte Hilfe, ein zuverlässiger kleiner Handwerker, der Möbelbausätze zusammenbaut, Holz spaltet, auf das Kettenfahrzeug stapelt, ins Haus bringt. Er trägt gerne Verantwortung, freiwillig und mit großem Spaß. Diesen Schub hat ihm auch das Bauen gebracht, das über Wochen andauernde Zusammensein mit geerdeten, fleißigen Handwerkern, die für ihn Vorbild waren. Die Freude an der Arbeit erlebt auch Hanna in vollen Zügen, sie ist für alle Tiere verantwortlich und herrscht über ihr Territorium liebevoll und selbstständig. 

Es gibt Momente, wo jeder alles, was er aufbieten kann, in eine Anstrengung stecken muss. Und wenn er nur ein kleines bisschen zurückhält, wird das Ergebnis scheitern. Das Gefühl: „Ich werde gebraucht. Mein Einsatz ist wichtig“ hatten beide Kinder verstärkt in der letzten Zeit und ohne dass ich es voraus gesehen hatte, brachte uns dieser Baustress genau in solche Situationen, wo wir gemeinsam ALLES an Kraft und Anstrengung, Geduld und Opferbereitschaft geben mussten, damit es irgendwie weiterging. Und wir lernten auch, uns immer wieder einzugestehen: wir wissen nicht weiter, wir bitten um höhere Weisheit. Und die haben wir bekommen, wann immer wir gebetet haben.

Wir führten ein Leben des Dienstes und des Opfers, verbunden mit Dankbarkeit über das Geleistete. Ich musste oft an Jesu Worte denken: „Was hilft es, wenn der Mensch die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?“ Und ich fragte mich, sind wir dabei, Schaden an unserer Seele zu nehmen, weil wir so eine extreme Phase durchleben, so aus dem Takt, aus der Ruhe und der Idylle raus gekommen sind? Wollten wir zuviel und haben den Blick für das Wesentliche verloren? Ich betete um Zeichen, dass Gott noch mit uns war… und ob wir (noch) auf dem richtigen, gesegneten Weg waren? Und jeden Tag erlebte ich, wie Gott allmächtig und liebevoll auf unsere Gebete antwortete. Ich lernte ihm, besser zu vertrauen. 

Aber Erlebtes ist viel undurchschaubarer und beängstigender, wenn man mittendrin steckt, als wenn man hinterher davon erzählt – und ich steckte vorläufig noch mittendrin.

Jedenfalls hatte ich mich schwer getäuscht, wenn ich gedacht hatte, das Projekt „Holzblockhütte“ würde mit der sommerlichen Bauphase des Wolfes und der Bären zum größten Teil beendet sein. Ich musste mir sagen lassen, dass dies keineswegs so sei. Nein, nein, wenn der Rohbau steht, dann steht wohl noch nicht mal die Hälfte des Hauses. Ja, es waren noch tausend Arbeiten und Handgriffe zu tun, als die fleißigen Holzblockhüttenbauer nach 10 Tagen wieder abreisten. 

Ich sehnte das Ende herbei… doch es ging zäh und voller Widerstände vor sich, mal hatte ich keine Leute, mal kein passendes Material, mal wurde nicht geliefert und dann war es schon zu kalt für gewisse Arbeiten. Was alles immer wieder durcheinander warf, waren  Unwägbarkeiten wie Wetter, unvorhersehbarer Materialbedarf, Maschinen, die nicht gingen, zuwenig Schrauben, zuwenig Nägel, ja und die unweigerlichen Baupannen, die auf keiner Baustelle fehlen dürfen. 

Fehler wurden auch bei uns gemacht, einige tun mehr weh als andere, z.B. dass mein einziger Wunsch für die Holzblockhütte (dass nämlich unsere alte, wunderschöne Holztreppe dort verbaut wird) trotz tausend Absprachen, Architektenplan und ständiger Nachfragen meinerseits, nun doch nicht erfüllt wird. Keine Ahnung warum, jedenfalls passt sie nun doch nicht, weil die Decke zu hoch liegt. Und noch einige andere Dinge, die einfach „passierten“, wie das halt so ist…

Ich scheiterte an meinen Ansprüchen und zwar täglich. Alles ging mir zu langsam und jedes neu auftretende Problem stürzte mich in noch tiefere Verzweiflung. Wären nicht mein Vater und mein Onkel gewesen, die in unermüdlichem Fleiß wochenlang hier schwer geschuftet haben, wäre ich sicher vollkommen verzweifelt. Meine Mutter schickte ganze Kofferraumladungen mit gekochtem, leckeren Essen, sowie säckeweise wunderbares deutsches Brot. Ich bin reichlich gesegnet und unterstützt worden. Mancher gute Rat meiner Verwandten hat mich vor unsinnigen Entscheidungen bewahrt und ich hatte auch eine enorme Stütze in der Zeit, als sie da waren. Worte können nicht beschreiben, was ein guter Familienzusammenhalt wert ist und in welchem Maße man sich als Familie unterstützen kann. Wir sangen viel als Familie, wir beten gemeinsam und das stärkte mich und die Kinder, sodass wir immer wieder sagen konnten: es geht weiter, mit Gottes Hilfe schaffen wir es bis zum Ende.

Nun, Monate und viele weitere Bauphasen später, fehlt dank dem heldenhaften Einsatz von Harry, meinem Vater und meinem Onkel am Gästehaus „nur“ noch die Elektrik, die Sanitäranlagen, die Inneneinrichtung, eine Terrasse und die Küche… :-)) Sonst ist aber alles da!

So-tun-als-ob man-Ahnung-hat

Ich fuhr viele Male morgens nach Deutschland zum Einkaufen, weil wir bestimmte Dinge nicht oder nur in anderen Maßen hier vor Ort bekommen konnten. Ich verbrachte Stunden und Tage in Baumärkten, ich zog praktisch dort ein, war morgens oft die Erste und verließ als letzte Kundin den Laden. Ich wusste selber oft nicht, was ich kaufen sollte, hatte keinen blassen Schimmer, (dazu reichte meine Zeit nicht, um in die Tiefen der Baukunst so einzudringen, dass ich alles geblickt hätte) sondern nur einen Zettel mit merkwürdig klingenden Worten. Sowohl in Frankreich als auch in Freiburg kennen mich mittlerweile alle Verkäufer und fliehen, sobald ich auftauche. Oh, diese Verrückte, die immer 10x nachfragt, keine Ahnung hat und so dämliche Fragen stellt: „Haben Sie 4×60 Spax mit Torx und ist ein Bit dabei? Und wo sind bitte V100-Latten? Äh, und ich hätte gerne USB-Platten. Ja und wir brauchen Rohre, diese grauen, die da, aber wie macht man die enger?“

Ich kam in der Regel nur mit der Hälfte passendem Material auf die Baustelle zurück. So kaufte ich für die Kanalisation in Bad und Küche Regenrohre und für die Regenrinnen Drainagerohre. Ich hatte keine Ahnung von Reduktionen, Fuchsschwänzen, Kompressoren, Zellulose-Schüttungen und Dampfsperren. Und das alles oft noch in französischer Sprache. Ich zog mit einer Liste voller Merkwürdigkeiten, von denen ich nur wenig verstand, los und schon bei der ersten Nachfrage des Verkäufers („ Zweieinhalb oder Dreiachtel Zoll?“) fiel ich in ein schwarzes Loch. 

Wie oft rief ich auf der Baustelle an, reichte dem Verkäufer verzweifelt mein Handy und der ließ sich dann von meinem Handwerker vor Ort erklären, was gebraucht wurde. Oder, der Gau in Frankreich: der Verkäufer spricht kein Deutsch, der Handwerker sitzt auf der Baustelle, spricht kein französisch, ich verstehe nicht das Geringste von der Materie und muss nun im Laden per Telefon dolmetschen und dann noch mit dem richtigen Material zurück kommen. In welch peinlich Situationen ich manche Leute bringen musste. Aber ich wusste mir nicht anders zu helfen, schließlich betrug der Weg zum nächsten Baumarkt in Frankreich fast 25 km.

Auch der Transport der so schwer ergatterten Materialien war eine schier unüberwindliche Aufgabe für mich. Eigentlich hätte ich einen professionellen Einkäufer gebraucht. Weder kannte ich mich Gurten noch mit den Techniken aus, mit denen man schwere Lasten über weite Strecken sichert. Das Parken und Rangieren mit einem Anhänger will gelernt sein, das musste ich mir mühsam beibringen.

Und täglich grüßt das Grusel-Bauhausett 

Ich weiß noch, wie ich einmal so verzweifelt war, dass ich kurz davor war, alles aufzugeben. Ich hatte wieder mal in D eingekauft und kam aus dem Freiburger Bauhaus, wo ich 3 Stunden damit verbracht hatte, einen Verkäufer zu ergattern, der mir hilft, meine Schätze zu orten, zu identifizieren und zu sichern. Müde (11:00 Uhr morgens), und mit einem Loch im Bauch hatte ich ganz auf mich allein gestellt, den Anhänger vollgeladen. (Manchmal konnte Richard kommen oder ich hatte einen Helfer zum Einkaufen, aber es ging nicht immer und so war ich auch ab und zu alleine unterwegs). In Frankreich käme es nie vor, dass eine Frau ihren schweren Einkauf aus dem Baumarkt auch nur 1m selber tragen müsste. In D jedoch ist eine Selbstverständlichkeit, dass eine Frau ihre eben erstandenen 41 Gasbetonsteine, 1 Klosett, 1 Waschbecken, 10 OSB-Platten und 15 Rigipsplatten ganz alleine ins Auto wuchtet. Jetzt weiß ich, warum Französinnen „très chic“ sein können – das liegt vor allem an französischen Männern.  Wiederholte Bitten nach einer Hilfe aus dem Baumarkt endeten meistens damit, dass ich 30-45 min. wartete und immer noch kein Mitarbeiter des Baumarktes in Sicht war.

Baumärkte haben ja heutzutage Hochkonjunktur, ich war in guter Gesellschaft, also was sich da so alles an Kaufwütigen umtut. Rentnerpaare schlendern Arm in Arm durch die „Eisenwarenabteilung“, junge Pärchen besetzen haufenweise die Mitarbeiter in der Elektroabteilung, schicke Damen flanieren in Pelzstiefeln zwischen aufgebauten Kloreihen, klappen Toilettenbrillen auf und zu und legen sich probeweise in Ecksprudelwannen, quengelnde Kinder zerren an ihren Müttern, die sich mit leuchtenden Augen vor Millionen Farbtöpfen in kilometerhohen Regalen aufgebaut haben. Und überall wartende Kunden, die mit verirrten Blicken einen Mitarbeiter suchen. Wer einen hat, krallt sich fest und lässt ihn so schnell nicht los und als unglücklicher, verzweifelter Kunde bleibt einem selbst nur eine vage Hoffnung. Mein persönliches Gruselkabinett? Ein Baumarkt.

Schweißgebadet schloss ich die Plane des Anhängers, kletterte erleichtert in den Wagen und war dabei, ein Stück rückwärts zu fahren, um vorne besser raus zukommen. Da schoss ein Kleinwagen hinter meinen Anhänger, der Fahrer eilte in den Laden und bemerkte überhaupt nicht, dass er gerade meinen Rangierplatz geklaut und meinen Ausparkvorgang blockiert hatte.

Ok, ganz ruhig, sagte ich mir, das wird schon gehen. Kurzes Stoßgebet – und versuchte die Kurve vorne ganz eng zu nehmen, aber viel Platz hatte ich nicht, hinten auch nicht, ein paar Mal vor und zurück und da hatte ich es geschafft: ich hatte den Anhänger hoffnungslos verkeilt, ich konnte nicht mehr vor und nicht zurück. Ich „parkte“ quasi direkt vor dem Haupteingang vom Bauhaus, aber quer. Vorne die Blumenrabatten, hinten der PKW. Mein Anhänger saß im 90 Grad Winkel zu meinem Bus und berührte fast die Ecke. In diesem Moment benahm ich mich gar nicht gut und war heilfroh, dass keiner mit mir im Auto saß. Ich fragte mich: MUSS ich das können? Einen voll beladenen VW-Bus, durch dessen zugebaute Heckscheibe ich meinen eigenen Anhänger nicht sehen kann… muss ich den ein- und ausparken, rangieren, vorwärts und rückwärts…..? Ich beschloss, nein, ich muss das nicht können und blieb einfach sitzen. Wollte zum Handy greifen und sämtliche Baustellen stoppen. Aus, fertig, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.

Doch eine leise innere Stimme beruhigte mich. Da sah ich zwei Handwerker in Arbeitskleidung, die in einem Lieferwagen gerade die Auffahrt hochfuhren. Sie sahen mich auch und schätzten meine Lage mit Kennerblick als hoffnungslos ein, schüttelten die Köpfe und sagten irgendwas zueinander („Frau am Steuer mit Anhänger!“), stiegen aus, HOBEN meinen Hänger samt Ladung hinten hoch und drehten ihn so, dass ich die Kurve nehmen konnte. Uff, das wäre geschafft. Nun brauchte ich nur noch eine Eingangstüre zum Glaser bringen und dann ab nach Stauffen, eine Ladung Dämmstoffe abholen. Bei der Glaserei angekommen, stellte ich erleichtert fest, dass genügend Platz zum Parken da war, stieg aus und fühlte mich fast vergnügt. Aber, oh Schreck, da war niemand, alles abgeschlossen. Da hatte mich der Glaser wohl, trotz Termin, vergessen. Ich wählte seine Nummer, hörte drinnen das Klingeln. Was tun… Simon zu Hause angerufen, er suchte aus dem Telefonbuch andere Glaser, ich telefonierte x-mal und fuhr dann zu einer Glaserei am anderen Ende der Stadt. Dann nach Stauffen. Dort sagte der Verkäufer, ich solle doch bitte rückwärts vor der Laderampe parken. Ein schmaler Weg von gefühlten 500m. Danke nein. Ich verspürte heute keinen Drang nach weiteren Parkübungen mit meinem Hänger. Er entkoppelte ihn und zog ihn vor die Rampe. Als ich mich wieder auf dem Heimweg befand, bemerkte ich, dass der Blinker nicht mehr funktionierte. Ich hielt an, überprüfte die Warnblinker am Hänger, alles ging, nur links-rechts-blinken wollte es nicht. In den nächsten Tagen fiel am Bus auch die Zentralverriegelung aus und nach weiteren Tagen, ließ er sich plötzlich überhaupt nicht mehr abschließen! Der Knopf von der Fahrertür sprang immer wieder hoch. Na, toll! Da mussten wir uns jetzt also auch noch um das Auto kümmern… es stellte sich dann raus, dass es wohl einen Kurzschluss gegeben hatte…. So endeten meine Einkaufstouren und nach und nach lernte ich, welches Grauen das Bauen wirklich ist. Wenn jemand abnehmen will, muss er/sie nur anfangen zu bauen. 

Dramen und kein Ende

Es ging dank unzähliger Bauphasen im Herbst gut voran und könnte man meinen, nun würde endlich alles gut, doch der ganze November war bereits überschattet gewesen, kaum, dass er begonnen hatte.

Ich hatte einen weiteren Helfer bekommen, er sollte auf unbestimmte Zeit bei uns bleiben. Stefan, ein Ungare, der, wie ich in Rumänien gebürtig ist und seine Familie noch dort hat. Er ist 44, bereits Opa und war seit April in Frankreich in einer Gärtnerei beschäftigt. Wir hatten uns über einige Ecken kennen gelernt und da er weder französisch noch deutsch spricht, sprang ich ab und zu als Übersetzerin ein. Sein Vertrag in der Gärtnerei ging zu Ende. Doch drei Tage, bevor er zu uns kommen sollte, wurde er Opfer eines nächtlichen, bewaffneten Raubüberfalls auf die Gärtnerei. Was er erlebte, lässt sich in seiner Brutalität schwer beschreiben, aber es reicht zu sagen, dass er stundenlange Misshandlungen erlitt und in dieser Nacht mit seinem Leben abschloss. Doch Gott hatte andere Pläne mit ihm, so überlebte er und kam nach kurzem Krankenhausaufenthalt und tagelangen Polizeiverhören direkt zu uns, schwer traumatisiert und immer noch in Todesängsten. Wenn es dunkelte, begann er unruhig zu werden, bekam flatternde Augen und als ich ihn einmal Abends unbedacht nach draußen schickte, um die Gattertüre zu schließen, kam er kalkweiß und zitternd nach wenigen Augenblicken zurück, er könne nicht alleine rausgehen. Nach einigen Tagen erkrankte er schwer an einem fieberhaften Infekt. Eine gute Freundin von mir, Ärztin und Psychologin betreute ihn mit Gesprächen und Medikamenten.

So waren wir im November ziemlich mitgenommen, auch die Kinder waren sehr betroffen und kümmerten sich lieb um ihn. Ich merkte jedoch, wie ich mit meinen Kräften haushalten musste, ich war körperlich und psychisch total am Ende. Die langen Monate des Bauens, der vielen Gäste, der Ruhelosigkeit, der Probleme…. hatten ihre Spuren hinterlassen und nun das. Statt eines kräftigen Arbeiters hatte ich einen halben Pflegefall bekommen. Ich wollte innerlich aufgeben und mir selber leid tun, ich wollte nur noch meine Ruhe haben. Doch es ging weiter und Tag für Tag erlebte ich das Wunder, morgens stark und voller Freude aufzustehen. Ich wurde von Gott täglich neu aufgerichtet. Ich erlebte es, wie Er mir gute, hoffnungsvolle Gedanken sandte und immer wieder neue Kraft.

Nichtsdestotrotz lauerte bereits die nächste Krise auf uns. 

Der seit über einem Jahr ersehnte Ofen für unser eigenes Wohnhaus sollte eigentlich im Sommer gekommen sein, bestellt war er seit April. Doch der Sommer verging und kein Ofen kam. Dann wurde uns Mitte Oktober als Liefertermin genannt, weil ein anderer Kunde vorgezogen worden war, der den Ofen „dringender“ gebraucht habe. Ein Drittel Anzahlung war bereits von uns geleistet worden. Doch auch der Oktober verging und kein Ofen kam. Der eigens dafür angeheuerte Arbeiter, der den Ofenbausatz aufbauen sollte, sagte wieder ab und der Ofenbauer fand immer neue Gründe, um nicht zu liefern. Mal war es der LKW, der angeblich mit unserem Ofen verunglückt war, mal waren wir es, die einen Fehler beim Schornsteinbau gemacht hatten, mal lieferte er nicht, weil er uns nicht glauben wollte, dass der Restbetrag überwiesen worden war. Obwohl Richard ihm den Überweisungsdurchschlag der Bank zugefaxt hatte, lieferte er nicht, sondern ließ mich vier Tage lang mit den Arbeitern hängen, die praktisch nur darauf warteten, den Ofen bauen zu können. Sie waren 700 km angereist und nun standen wir da, ohne Ofenbausatz. Ich bekam eine solche Wut auf diesen Menschen, dass ich keinen einzigen guten Gedanken mehr an ihn haben konnte. Ich bereute zutiefst, mich für diesen Ofen entschieden zu haben, fühlte mich hintergangen und war fertig mit den Nerven. Trotzdem hatten auch diese vier Tage ihr Gutes, denn sie lehrten mich Geduld. Krisen zeigen uns, wer wir wirklich sind. Ich betete immer wieder, dass ich mich nicht so manipulieren lasse in meinen Gefühlen und dass ich die Situation annehmen kann, auch wenn sie ärgerlich ist. Gott machte mich innerlich soweit ruhig, dass ich dem Ofenbauer dann, als er schließlich Ende November kam, einigermaßen gefasst entgegentreten konnte. Meine Verwandten bauten ihn dann in Rekordzeit von 5 Tagen auf (üblich sind 14 Tage). 

Soweit sind wir gekommen. Nun ist erst mal Ruhe angesagt und die letzten kleinen Arbeiten dann im Neuen Jahr.

Es war eine mutige Entscheidung so ein Projekt unter diesen erschwerten Bedingungen zu beginnen, aber: Je ne regrette rien.

Kommt und seht selbst, ob sich alles gelohnt hat. Über euren Besuch freuen wir uns sehr.

Ein wunderschönes Fest und ein Frohes, Gesegnetes Neues Jahr, Gottes Segen und keine Baustelle wünscht Euch,

Eure

Eva